Neun von insgesamt 31 NRW-Kreisen haben einen Inklusionsbeirat. (Stand Februar 2025) Beiräte, die auf Kreisebene tätig sind, unterscheiden sich in einigen Punkten von Beiräten in Gemeinden und Städten, denn ihr Wirkunsgfeld endet nicht bei den jeweiligen Gemeindegrenzen, sondern erstreckt sich über das gesamte Kreisgebiet. Aus unserer langjährigen Projekterfahrung wissen wir: Besonders Kreis-Inklusionsbeiräte stehen oft vor der Herausforderung, ihr Arbeitsfeld genau zu definieren und wirksam über die jeweiligen Stadtgrenzen hinaus zu agieren. Mit unseren Empfehlungen möchten wir dabei unterstützen, die Beiratsarbeit auf Kreisebene nachhaltig und wirksam zu gestalten.

Neben den grundsätzlichen Informationen zu einem Kreis-Inklusionsbeirat finden Sie am Ende der Seite Verlinkungen zu Empfehlungen für eine Beiratsgründung und Tipps für bestehende Beiräte.

Die grundsätzliche Ausrichtung

Wir empfehlen, dass jeder Kreis-Inklusionsbeirat zunächst für sich definiert, mit welchem Fokus er arbeiten möchte:

  • Fokus auf Kreisaufgaben: Der Kreis-Inklusionsbeirat befasst sich ausschließlich mit Inklusionsthemen, die in die Zuständigkeit des Kreises fallen, wie beispielsweise übergreifende Verkehrsplanung, Bildungsangebote oder Sozialstrukturen (Inklusion als Querschnittsthema auf Kreisebene).
  • Netzwerkfunktion: Der Kreisinklusionsbeirat fungiert als Plattform für den Austausch und die Zusammenarbeit der kreisangehörigen Kommunen. In dieser Rolle stärkt er die Vernetzung und fördert die gemeinsame Entwicklung inklusiv.

Unklarheiten über den Schwerpunkt eines Kreisinklusionsbeirates sind typisch und hinderlich für die Wirksamkeit. Es ist wichtig, von Beginn an klar zu definieren, wo der Arbeitsschwerpunkt gesetzt wird. Oftmals sind selbst Beiratsmitgliedern die genauen Ausfgaben und Tätogkeitsfelder nicht vollständig bewusst. Eine klare Fokussierung hilft dabei, die Arbeit effizient zu gestalten und die Mitglieder zu motivieren, sich aktiv einzubringen. Eine unklare Aufgabenstellung kann hingegen dazu führen, dass sich Menschen mit unterschiedlichen Erwartungen und Zielsetzungen im Beirat engagieren. Dies kann die Zusammenarbeit erschweren und zu Spannungen führen, wenn unterschiedliche Vorstellungen darüber bestehen, welche Themen und Projekte Priorität haben sollten. Beide Fokus-Varianten bergen Potenziale und Herausforderungen in sich:

Fokus auf Kreisaufgaben

PotenzialeHerausforderungen
Klare Themenzuständigkeit: Es ist sinnvoll ein Gremium einzurichten, das für Themen zuständig ist, die innerhalb der kreisangehörigen Kommunen nicht geklärt werden können, weil diese gar nicht dafür zuständig sind. Nicht-Zuständigkeit sorgt oft für Frustration – auch in Inklusionsbeiräten aus kreisangehörigen Kommunen. 

Beratungs- und Unterstützungsfunktion: Der Beirat auf Kreisebene kann zudem eine Beratungsfunktion für die Politik und Verwaltung des Kreises übernehmen. Häufig ist die Kreisebene immer etwas abstrakter, sodass es hier oft an Perspektiven von Menschen mit Behinderungen bei Entscheidungsprozessen fehlt.
Kommunikation: Eine zentrale Herausforderung besteht darin, die Zuständigkeiten und den Aufgabenbereich eines Kreisinklusionsbeirats klar zu definieren und zu kommunizieren. Oftmals ist auch Beiratsmitgliedern nicht ganz klar, welche Themen konkret in die Zuständigkeit eines solchen Beirats fallen.

Fokus auf Netzwerkfunktion

PotenzialeHerausforderungen
Gemeinsame Projekte initiieren: Der Beirat könnte gemeinsame Projekte auf Kreisebene initiieren, bei denen mehrere Kommunen zusammenarbeiten. Dies könnte beispielsweise ein kreisweiter Aktionsplan zur Barrierefreiheit oder eine Sensibilisierungskampagne zur Inklusion sein

Koordination und Austausch bewährter Praktiken: Viele Themen der Inklusion fallen zwar in die Zuständigkeit einer kreisangehörigen Kommune – werden aber quer über das ganze Kreisgebiet erlebt. Der Beirat kann daher ein Instrument sein, damit Kommunen ihre Erfahrungen austauschen und voneinander lernen. So könnten gute Praxisbeispiele oder innovative Ansätze zur Förderung der Inklusion über Gemeindegrenzen hinaus bekannt gemacht und übernommen werden.  
Dominanz einzelner Kommunen: Die Interessenvertretung ist in den Kreisen häufig sehr ungleich verteilt. So gibt es Kommunen, in denen Interessenvertretungsstrukturen besonders stark ausgeprägt sind, die Themen gezielt einbringen und ihre Anliegen mit Nachdruck vertreten können.
Einerseits bringen Kommunen mit gut etablierten Strukturen oft wertvolle Erfahrungen und praxiserprobte Lösungsansätze ein, die als Vorbild für andere Gemeinden im Kreis dienen können. Diese Kommunen können als Impulsgeber für wichtige Themen fungieren.
Andererseits besteht die Gefahr, dass die Agenda des Beirates stark von den Interessen und Herausforderungen der dominanten Kommunen geprägt wird, während die Anliegen weniger aktiver oder weniger strukturierter Kommunen in den Hintergrund geraten.          

Welche Ausrichtung passt zu unserem Kreis?

Welche Ausrichtung im Vordergrund steht, hängt oft von der Dynamik innerhalb des Kreises ab und dem Vorhandensein von Interessenvertretungen: In Kreisen mit einer Vielzahl gut etablierter Beiräte in den kreisangehörigen Kommunen kann sich der Kreisinklusionsbeirat in Richtung eines Netzwerkes für den Austausch und die Koordination gemeinsamer Projekte entwickeln. In Kreisen, in denen Interessenvertretungsstrukturen in den Gemeinden hingegen weniger ausgeprägt sind, kann der Kreisinklusionsbeirat leichter die Bearbeitung und Umsetzung kreisweiter Themen besetzen und eine Beratungsfunktion für die Kreispolitik und Kreisverwaltung übernehmen.

Das Potenzial eines Kreisinklusionsbeirates liegt vor allem darin, eine kreisweite Perspektive einzunehmen und Themen voranzubringen, die über die Grenzen einzelner Kommunen hinausgehen. Auch wenn Themen aus den kreisangehörigen Kommunen berücksichtigt werden, sollte der Beirat stets darauf hinarbeiten, gemeinschaftliche und übergreifende Lösungen zu finden, die den gesamten Kreis betreffen. Wir empfehlen daher, den Schwerpunkt auf Themen zu legen, die spezifisch die Kreisebene betreffen – also Fragestellungen, die kommunale Inklusionsbeiräte aufgrund ihrer eingeschränkten Zuständigkeit nicht bearbeiten können. Konzentriert sich der Beirat zu sehr auf lokale Themen und Herausforderungen, verliert er den Blick für übergreifende, kreisweite Lösungen – worin sein eigentliches Potenzial liegt.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Förderung der Zusammenarbeit der kreisangehörigen Beiräte vernachlässigt werden sollte. Im Gegenteil: Diese Zusammenarbeit ist eine wertvolle Ergänzung der Arbeit eines Kreisinklusionsbeirates und sollte unbedingt etwa in Form einer Arbeitsgemeinschaft ermöglicht werden.

In der Praxis ist das allerdings oft leichter gesagt als getan: Themen der Kreisebene sind abstrakter, und die Perspektiven von Menschen mit Behinderungen werden auf dieser Ebene seltener direkt eingebracht. Eine zentrale Herausforderung besteht darin, die Zuständigkeiten und den Aufgabenbereich des Kreises und des Kreisinklusionsbeirates transparent zu machen – und sie von den Aufgaben der kommunalen Inklusionsbeiräte abzugrenzen. Wir empfehlen, vor der offiziellen Aufnahme der Arbeit eines Kreisinklusionsbeirates Zeit und Energie in eine gründliche Aufklärung zu investieren. Mitglieder sollten ein klares Verständnis darüber erhalten, welche Themen auf Kreisebene bearbeitet werden können. Diese Basisarbeit schafft Orientierung, vermeidet Missverständnisse und bildet die Grundlage für eine effektive und motivierende Beiratsarbeit auf Kreisebene.

Empfehlungen für die Zusammensetzung

Bei der Zusammensetzung von Kreisinklusionsbeiräten sollte grundsätzlich sichergestellt werden, dass Menschen mit Behinderungen eine starke Stimme erhalten. Sie sollten im Beirat die Mehrheit der Mitglieder stellen. Dies dient der Selbstvertretung und gewährleistet, dass der Beirat von Menschen mit Behinderungen gestaltet wird – nicht lediglich mit oder für sie. Idealerweise haben Menschen mit Behinderungen unter den stimmberechtigten Mitgliedern die Mehrheit oder sind allein stimmberechtigt.

Eine enge Anbindung an die Kreispolitik sowie an die Kreisverwaltung ist von zentraler Bedeutung, um eine effektive Zusammenarbeit zu ermöglichen. Dabei sollten gezielt Schlüsselpersonen ausgewählt werden, die den Beirat als dauerhafte Mitglieder aktiv unterstützen. Wir empfehlen Vertreter*innen aus den Kreistagsfraktionen als beratende Mitglieder aufzunehmen. Wird darauf verzichtet, muss trotzdem ein Mechanismus der Zusammenarbeit zwischen Politik und Beirat festgelegt werden.

Sinnvoll ist es neben weiteren möglichen Arbeitsgruppen eine Arbeitsgruppe für kreisangehörige Kommunen zu bilden, denen sich u. a. die Interessenvertretungen aus den kreisangehörigen Kommunen anschließen können und von dort eine oder mehrere Vertreter*innen in den Beirat zu entsenden. Ergänzend dazu können themen- und anlassbezogen weitere Personen – beispielsweise aus Fachbereichen der Verwaltung oder Sachverständige – zur Beratung eingeladen werden.

Wir empfehlen, eine Stellvertreterregelung einzurichten. Zudem sollte der Vorsitz aus der Mitte der Menschen mit Behinderungen gewählt werden. Damit der Vorsitz seine Aufgaben wahrnehmen kann, sollte er durch hauptamtlich beauftragte Personen (z. B. Behindertenbeauftragte) unterstützt werden. Dazu gehört, dass die Aufgaben klar verteilt werden. Die Geschäftsführung des Beirates sollte bei der Verwaltung liegen, da sie über die notwendigen Personalressourcen verfügt, um organisatorische und administrative Tätigkeiten zuverlässig zu übernehmen. Ein enger Austausch zwischen Geschäftsführung und dem Vorsitz des Beirats ist wichtig.

Konstituierung


Der Rahmen für die Zusammensetzung des Beirats ist gesteckt, nun müssen die Mitglieder bestimmt werden. Hier gibt es unterschiedliche Verfahren, die in Frage kommen.

OptionBeispielVorteilNachteil
Vorschlag und Benennung der MitgliederPolitische Fraktionen benennen Vertreter*innen, Vereine und Verbände bekommen Sitz im Beirat (z.B. Schwerhörigenverein) und geben Vorschlag ab, verwaltungsintern werden Vertreter*innen bestimmteinfacher und schneller durchzuführenBenennung setzt Engagement in entsprechenden Strukturen voraus kein Einfluss von Menschen mit Behinderung in der Kommune
WahlMitglieder des Beirates werden ganz oder zu Teilen gewählt (zu klären: Wer wählt wen wann und für wie lange?)   Wahl der Mitglieder lässt sich z.B. mit derselben Legislaturperiode wie die Kommunalwahlen NRW einrichtenpartizipativeres Verfahren bindet Öffentlichkeit einaufwändiger offene Fragen zu klären Wer ist wahlberechtigt? Welche Mitglieder werden gewählt?

 

Unabhängig vom gewählten Verfahren sollten die Mitglieder des Beirats für einen festgelegten Zeitraum gewählt oder benannt werden. Eine weitere Option besteht darin, Positionen nach einer bestimmten Dauer rotieren zu lassen, um einen regelmäßigen Wechsel im Gremium zu gewährleisten.

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